295. Montagsgespräch

Fraktale Verfärbung

Hans Wolf und Dieter Trüstedt
Klavier und Pure Data / Elektronik

26. März 2012 20 Uhr / Eintritt frei
Carl Orff Auditorium München
Luisenstr. 37a, U-Bahn Königsplatz

Fünftes Montagsgespräch im Rahmen des Projektes Natur - Wissenschaft - MUSIK - Wahrnehmung - Wirklichkeit in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Theater München, dem Bezirk Oberbayern, dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst - und dem Musiklabor / Echtzeithalle e.V.


Ausschnitt einer (Tonhöhen-Folge in "Chaosklavier" (Uraufführung,
22. April 2005, Materialausgabe, Reaktorhalle München, Dieter Trüstedt -
Pure Data und Hans Wolf - Klavier )

Wir beginnen dieses Montagsgespräch mit einem kleinen Konzert: Die elektronischen Vorgaben sind Klangflächen - gefüllt mit Sinus-Tönen, dessen Frequenzen durch die Formel x(n+1) <= k*x(n)*(1-x(n)) berechnet werden. Die entstehenden Werte gehören zum Bereich des determinierten Chaos: sie pendeln, nähern sich bestimmten Lösungen, springen wieder ins Chaotische etc. Die Formel beschreibt Prozesse des Wachstums, des Erreichens und Wiederverlierens, das erneute Versuchen, ein Pendeln zwischen Höhen und Tiefen .....hier ausgedrückt in Tonhöhen, Zeitgestalten und Lautstärken.
In der vorgetragenen Musik setzt Dieter Trüstedt Klangflächen und Hans Wolf (Klavier) Formen, Skulpturen, Gebilde, Gewächse. Die Sinus-Landschaften sind glatt oder zerklüftet oder wirr oder fließend - je nach Wahl des Einflusses der in Echtzeit berechneten Ergebnisse: ein paar Cent, ungefähr ein Achtelton, ein Vierteltöne, verschiedene Terzen, Quinten, Nonen. Die Oberfläche kann sehr dicht oder sehr durchsichtig sein - je nach Zahl oder Dauer der geschichteten Sinus (-Lineaturen).
Wir besprechen das künstlerische Konzept und die technischen Werkzeuge. Hans Wolf beschreibt seine Tonfolgen und Klanggebilde und Dieter Trüstedt seine computergesteuerten Flächen. Das Zusammenspiel kann mit einem Zen-Garten verglichen werden: in einem Wellenfeld sind (stark strukturierte) Steine plaziert.
In der Diskussion können Fragen, Unklarheiten, Anregungen unmittelbar aufgegriffen, vorgespielt, variiert und künstlerische gestaltet werden.
Diese Arbeit ist Teil eines Beitrages in der 10. Materialausgabe am Samstag 28. April 2012 im Carl Orff Auditorium - gespielt vom Autoren-Ensemble (Elmar Guantes - Kontrabass, Wilfried Krüger - Horn, Dieter Trüstedt- Pure Data und Hans Wolf - Klavier).


Dokumentation

Fotos: Bernhard Thurz


Hans Wolf - 295. Montagsgespräch - Spiel der fraktralen Sinusse


Dieter Trüstedt - 295. Monatagsgespräch - Spiel der fraktalen Sinusse


Dieter Trüstedt - Pure Data


Hans Wolf - Klavier


Jörg Schäffer - Moderation


Diskussion

In der Diskussion ging es um die Frage der Wiederholbarkeit und die dafüt notwendige Notierung. In Pure Data sind die jeweiligen Schaltungen wesentlicher Teil der Notierung und für die Wiederaufführung natürlich ausschlaggebend.
Weiterhin gab es eine schriftliche Partitur. Diese Partitur ist für das Laptop-Tastatur-Spiel notwendig. Die Buchstaben A - T und L haben den gewählten OktavAbstand mit den darüber und darunten liegenden Tastenzeilen für die Lautstärke-Variation.
Und dann gibt es noch eine Pure-Data-Partitur - zuständig für den Aufruf der einzelnen Einstellungen (Presets).

Für die Frage der Wiederholbarkeit reicht dieses Material aus.
Alle Musikstücke werden auch mitgeschnitten. Der Mitschnitt und die Pure-Data-Programme sind Teil der Partitur.
Stärker sollte die Musik nicht festgelegt werden, um eine innere Lebendigkeit zu erhalten.

Hans Wolf am Klavier hat seine eigene Notation - der schriftlichen Pure-Data-Notation zugeordnet.



Material / PureDataMusik

Partitur und Pure-Data-Programme: Dieter Trüstedt

Partitur:

aufrufen: FRAKTALE-SINUSSE-01.pd klav-frakt-01.pd geom-05.pd
einschalten: key-on und bild up und bild down ..... während des Spiels
und: StopUhr start

1) > 2:30
PRIMEN
- immer dergleiche Ton ===>> OKTAVEN und PRIMEN
    A ---> T --->L ---> ; Oktav-Klang aufbauen und spielen
     A ---> T --->L ---> ; spielerisch wiederholen, von oben nach unten
       tief nach höher & leiser // variierend wiederholen
         ATL------------ ATL-----------Oktaven auf- und abbauen
            A + T + , etc.
2) > 5:00
WELLEN
- im PRIMEN - Feld - ausklingen lassen - neu aufbauen - verändern - neu schichten ......
immerwieder umfärben
    T T T T T A A A A L L L L L ; ; ; ; ; ;
      T T T T T T ......................... ; ; ; ; ; ; L L L L L O O ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; L L
          T T T T T T T T
3) > 7:30
NONEN - SEPTIMEN
- >>>> sehr lange Nonen-Intervalle - halten und ändern, die Dauern genießen
sehr lange Striche // Kombinationen variieren - lange halten
      T L------------------ T L ------------------ T ; -----------------
         A T L ---------------------------- ; --------------------------
             AT; --------------------------------------------------------------
                 T; ------------------------- AT ------------------------ AT; ----------------------------
4) > 10:00
TERZIGE ORGEL
- KirchenBild - AnTerzen - große und kleine Terzen .......
die ATL wiederholen >>> es entstehen KirchenOrgelMelodien ......
      AT halten und L oder ; oder O wiederholen als Melodiebild ...
            lang lang
       ATL -------------- ATL ----------------- ATL -------------------ATL --------------------ATL -----------------
             AT----------------- plus L-----L---------L-----------;-------L-----------O -----------L -----------
                          lang
5) > 12:30
QUINTEN-RÖHREN-GLOCKEN
Schwirren durch die „falschen“ Quinten ..... munter
schnelle L dann langsamere T dann noch langsamere Q
      L-L-L-L-L----------T--T--T-T--T----------Q----Q-----Q-----Q-----Q------Q------ ----------
          LTQ---------LTQ-----------LTQ--------------
              Q--T---L---------------Q--T--L----------
                    leiser, ferner werden >> AA--GGG----;;;;---------------------- stop

PureDataPartitur


Partitut-Blatt im Pure-Data-Programm: mit den bild-tasten-auf bzw. ab kann in den 5 Einstellungsgruppen weiter- oder
zurückgeschaltet werden (oder mit der Maus anklicken). Die untere Zeile zeigt die Message-Boxen mit den Befehlen
für den Synthesizer, die Tonhöhen-Lage, das Decay, die fraktale Szene und die Skalierung in der Tastatur.
Gespielt wurde 3 Tastengruppen im Oktav-Abstand - Basiston = c. Die Tastenzeilen bedingen die Lautstärken, d.h.
die Tastatur kann dynamisch in Lautstärke variiert werden.


Synthesizer für 16 Stimmen und beliebig vielen Klang-Kombinationen. Hier wurde
der reine Sinusklang gespielt, um die Schwebungen und Tonhöhenvariationen besonders
deutlich zu machen.
Das Decay wurde mal sehr lang (1,5 MilliSekunden bis fast eine Minute) oder sehr kurz (hier ca. 250
MilliSekunden, d.h. in der Größenordnung wie der gedämpfte Klavierklang).


Klaviatur / Laptop-Tastatur: gespielt wurden nur 3 Oktav-Abstände - mit variablen Umrechnungen je nach
Fraktal-Wert und einstellbarem Einfluss auf die Tonhöhe:
Fast gleich (2 cent Schwankungsbreite) - stärker (10 cent) - noch stärker (100 cent ~ Halbton) - dann
Terz (400 cent) - dann Quinte (700 cent).


Anmerkung zum Thema Wiederholung /
Der leere Raum, Peter Brook
Seite 224 - die letzte Seite des Buches:

Wenn ihr dieses Buch lest, ist es schon überholt. Es ist für mich eine Übung, die jetzt auf dem Papierblatt erstarrt ist. Aber im Gegensatz zum Buch hat das Theater ein spezielles Charakteristikum. Es ist immer wieder möglich, von vorne anzufangen. Im Leben ist das ein Märchen: Wir selbst können nie zu etwas zurückkehren. Neue Blätter lassen sich nicht zurückschlagen, die Uhren gehen niemals rückwärts, wir haben nie eine zweite Chance. Im Theater wird die Tafel immer wieder leergewischt.