271. Montagsgespräch

Fibonacci-Rhythmen und Graphen

Dieter Trüstedt, Computermusik, Chin und Grafik
Sonja Hafenmayer, Handlung / Bewegung

Montag 26. April 2010 20 Uhr / Eintritt frei
Carl Orff Auditorium München
Luisenstr. 37a, U-Bahn Königsplatz

Sechstes Montagsgespräch im Rahmen des Projektes MUSIK AUS DEM NIEMANDSLAND in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Theater München, dem Deutschen Musikrat, dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München und der Echtzeithalle e.V.

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Sonja Hafenmayer - Herbstmusik 2009 - Carl Orff Auditorium München

Leonardo da Pisa,
auch Fibonacci genannt (* um 1180 in Pisa; † nach 1241 in Pisa) war Rechenmeister in Pisa und gilt als der bedeutendste Mathematiker des Mittelalters. Bekannt sind heute vor allem die nach ihm benannten Fibonacci-Zahlen. Nähere Informationen siehe unten.

Zu den Klängen
Die acht a-Töne des Klaviers - von A2 bis a4 gespielt von Hans Wolf (4) - sind Grundlage der Klangstruktur des vorgestelltes Stückes. Es geht um Computermusik, also die Möglichkeit eingespielte Klänge in mathematisch oder künstlerisch komplexen Abfolgen zu spielen d.h. vom Computer spielen zu lassen. Ausgangsidee war eine rhythmisch orientierte Oktav-Musik - speziell die a-Klänge des Flügels.

Zu den Zeiten
Die Zeitdauern zwischen den Anschlägen sind nach der Fibonacci-Reihe berechnet, d.h. eine Basisdauer - z.B. 1000 Millisekuden - bestimmt die schnellste Schagfolge. Ein Modulo-System berechnet aus diesen Schlägen jeden 2., 3. 5., 8., 13., 21. und 34. Schlag. Diesen Schlägen sind Tonhöhen zugeordnet: Der schnellste Schlag spielt das a4, der zweischnellste das a3 etc. bis zum langsamste Schlag, der das A2 spielt.

Zu den Lautstärken
Sie werden sorgfältig nach intensivem und "intuitiven" Zuhören eingestellt. Es entstehen rhythmische Gebilde nach Zeiten und Intensitäten. Allmählich bilden sich auch Begriffen zu den Musik-Szenen. Die Lautstärken werden, in Presets notiert, damit sie in der Performance unmittelbar aufgerufen werden können. Die Übergänge von einem Bild zum nächsten sind fließend, d.h. die Lautstärken ändern sich individuell, mal schneller mal langsamer.

Zu den Tonhöhen
Eigentlich nur um die Farbigkeit der Musik zu stärken, werden einige a-Klänge um ein paar Halbtöne versetzt, d.h. es Nonen oder Septimen, aber keine Melodien. Auch diese Verschiebungen sind in den Presets notiert.

Zu den Farbstreifen
Sie geben eine der Folien der Musik, sie gestalten den Raum, sie zentrieren den Blick, es sind virtuelle Bühnenbilder

Zu den Handlungen

Erkundungen im Urbanen

Warten am Steig

Positionen vor dem Zaun

Umherstreifen auf Platten

Vor Brettern warten und wandeln

Treppauf, Treppab.

Gesten in der Stadt

Wege durchs Viertel

Ist das eine Baustelle?

Sonja Hafenmayer

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Sonja Hafenmayer - Herbstmusik 2009

Die Körperlichkeit in der "Elektronischen Musik" so hieß im November 2009 ein Festival im KUG Graz (Kunstuniversität Graz). Siehe Text unten.


Der folgende Text muss noch durchgearbeitet werden. Er enthält mehrere Ansätze zu Musikstücken im Kontext MUSIK AUS DEM NIEMANDSLAND. Auch Tom Johnson (3) hat sich offenbar mit dem Text beschäftigt.

Der Inhalt des Liber abbaci

Der Liber abbaci legt den Schwerpunkt ausdrücklich mehr auf die Theorie als die Praxis (magis ad theoricam spectat quam ad practicam) und geht tatsächlich in seinen Ansprüchen weit über alles hinaus, was dem lateinischen Mittelalter bis dahin bekannt geworden war oder bis zum 16. Jahrhundert noch bekannt werden sollte. Die Besonderheit liegt dabei nicht so sehr in der Schwierigkeit der Aufgaben, sondern in der mathematischen Intelligenz des Autors, seiner Durchdringung der Materie und dem besonderen Wert, den er darauf legt, Lösungen und Regeln nicht nur vorzuführen, sondern auch mathematisch zu beweisen. Der Liber abbaci ist in 15 capitula unterteilt:

1. De cognitione nouem figurarum yndorum, et qualiter cum eis omnis numerus scribatur; et qui numeri, et qualiter retineri debeant in manibus, et de introductionibus abbaci: Von der Kenntnis der neun Zahlzeichen der Inder, und wie mit ihnen jegliche Zahl geschrieben wird; und wie die Zahlen mit den Händen gemerkt werden sollen, und von der Einführung der Rechenkunst.
2. De multiplicatione integrorum numerorum: Von der Multiplikation natürlicher Zahlen.
3. De additione ipsorum ad inuicem: Von der Addition derselben miteinander.
4. De extractione minorum numerorum ex maioribus: Von der Subtraktion kleinerer Zahlen von größeren.
5. De diuisione integrarum (sic) numerorum per integros: Von der Teilung natürlicher Zahlen durch natürliche Zahlen.
6. De multiplicatione integrarum (sic) numerorum cum ruptis atque ruptorum sine sanis: Von der Multiplikation natürlicher Zahlen mit Brüchen und der Multiplikation von Brüchen ohne Ganze.
7. De additione ac extractione et diuisione numerorum integrarum cum ruptis atque partium numerorum in singulis partibus reductione: Von der Addition und Subtraktion und Division natürlicher Zahlen mit Brüchen und der Zerlegung von Brüchen in Stammbrüche.
8. De emptione et venditione rerum uenalium et similium: Vom Kauf und Verkauf von Waren und ähnlicher Dinge. - Behandelt Dreisatz, Umrechnung von Währungen, Tuch- und andere Maße sowie Gewichte.
9. De baractis rerum uenalium et de emptione bolsonalie, et quibusdam regulis similibus: Vom Tauschhandel mit Waren und dem Kauf von Bolsonalien (Münzen, deren Wert sich nach ihrem Silberanteil richtet), und einigen ähnlichen Regeln.
10. De societatibus factis inter consocios: Von den Gesellschaften unter Gesellschaftern. - Behandelt werden zunächst Rechenaufgaben zu Viehfutter, Baumschlag und Nahrung, dann dem Titel gemäß die Gewinnaufteilung unter Gesellschaftern nach ihrem Anteil am eingesetzten Kapital.
11. De consolamine monetarum atque eorum regulis, que ad consolamen pertinent: Von der Legierung des Geldes und den Regeln, die die Legierung betreffen. - Es geht speziell darum, aus Kupfer-Silber-Legierungen mit bekanntem Silberanteil einen neue Legierung mit vorgegebenem Silberanteil herzustellen.
12. De solutionibus multarum positarum questionum quas erraticas appellamus: Von den Lösungen vieler Fragen, die wir als erratische bezeichnen. - Das umfangreichste Kapitel, das etwa ein Drittel des Gesamtwerks einnimmt, ist seinerseits in neun Unterkapitel eingeteilt:
1. De collectionibus numerorum, et quarundam aliarum similium questionum: Von den Sammlungen der Zahlen, und einigen ähnlichen Fragen. - Behandelt ist die Summierung arithmetischer Reihen.
2. De proportionibus numerorum: Von Zahlenproportionen. - Behandelt Systeme von linearen Gleichungen.
3. De questionibus arborum, atque aliarum similium, quarum solutiones fiunt: Von Aufgaben mit Bäumen, und anderen ähnlichen Aufgaben, deren Lösungen sie (d.h. die Proportionen) bieten. - Anwendung der im vorigen Unterkapitel besprochenen Regeln.
4. De inuentione bursarum: Von der Findung von Geldbörsen. - Fortsetzung des Themas mit Rechenaufgaben, die sich um gefundene Geldbörsen drehen.
5. De emptione equorum inter consocios, secundum datam proportionem: Vom Kauf von Pferden unter Gesellschaftern, gemäß einer gegebenen Proportion.
6. De uiagiis, atque equorum questionum, que habent similitudinem uiagiorum questionibus: Von Reisen und Aufgaben mit Pferden, die den Aufgaben mit Reisen ähneln. - Behandelt u.a. Zinsaufgaben.
7. De reliquis erraticis, que ad inuicem in eorum regulis uariantur: Von den übrigen erratischen Aufgaben, die sich untereinander in ihren Lösungswegen unterscheiden. - Enthält u.a. die berühmte Kaninchenaufgabe, die Leonardo eher kurz und beiläufig behandelt, und die in seinen Schriften offenbar auch der einzige Anwendungsfall der Fibonacci-Folge ist.
8. De quibusdam diuinationibus: Von einigen Rateaufgaben. - Aufgaben zu Resteproblemen, bei denen z.B. eine Zahl anhand der Reste ihrer Teilung durch mehrere andere Zahlen zu erraten ist.
9. De Duplicatione scacherii, et quibusdam aliis questionibus: Von der Verdoppelung auf dem Schachbrett, und einigen anderen Aufgaben. - Aufgaben rund um die Zahl (2^64)-1
13. De regula elcataym qualiter per ipsam fere omnes erratice questiones soluantur: Von der Regel „al-hata‘ain“, wie durch diese fast alle falschen Aufgaben gelöst werden können. – Behandelt die Regel vom zweifachen falschen Ansatz (regula duarum falsarum posicionum), heute auch regula falsi oder „lineares Eingabeln“ genannt, die bei linearen Problemen aus zwei falschen Lösungen die richtige berechnet.
14. De reperiendis radicibus quadratis et cubitis ex multiplicatione et diuisione seu extractione earum inter se, et de tractatu binomiorum et recisorum et eorum radicum: Vom Auffinden von Quadrat- und Kubikwurzeln durch deren Multiplikation und Division oder Subtraktion untereinander, und von Binomen und Differenzen und deren Wurzeln.
15. De regulis proportionibus geometrie pertinentibus: de questionibus aliebre almuchabale: Von den Regeln, die die Proportionen der Geometrie betreffen: von den Aufgaben der Algebra und Almuchabala. - Zu quadratischen Gleichungen.


Die Kaninchen-Population (2)

Fibonacci illustrierte diese Folge durch die einfache mathematischen Modellierung des Wachstums einer Kaninchenpopulation nach folgender Vorschrift:

1. Zu Beginn gibt es ein Paar geschlechtsreifer Kaninchen.
2. Jedes neugeborene Paar wird im zweiten Lebensmonat geschlechtsreif.
3. Jedes geschlechtsreife Paar wirft pro Monat ein weiteres Paar.
4. Die Tiere befinden sich in einem abgeschlossenen Raum („in quodam loco, qui erat undique pariete circundatus“), so dass kein Tier die Population verlassen und keines von außen hinzukommen kann.

Das erste Paar erzeugt seinen Nachwuchs bereits im ersten Monat. Jeden Folgemonat kommt dann zu der Anzahl der Paare, die im letzten Monat gelebt haben, eine Anzahl von neugeborenen Paaren hinzu, die gleich der Anzahl der Paare ist, die bereits im vorletzten Monat gelebt haben, da genau diese geschlechtsreif sind und sich nun vermehren. Fibonacci führte den Sachverhalt für die zwölf Monate eines Jahres vor (1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, 233, 377) und weist auf die Bildung der Reihe durch Addition mit dem jeweils vorhergehenden Reihenglied hin (1+2=3, 2+3=5, 3+5=8, etc.). Er merkte außerdem an, dass die Folge sich – unter der Annahme unsterblicher und ewig fortpflanzungsfähiger Kaninchen – unendlich fortsetzen lässt: „et sic posses facere per ordinem de infinitis numeris mensibus.“ Weitere Beachtung hatte er dem Prinzip in seinen erhaltenen Werken nicht geschenkt.

Nachdem spätere Mathematiker wie Gabriel Lamé (1795–1870) die Entdeckung dieser Zahlenfolge für sich beansprucht hatten, brachten Édouard Lucas (1842–1891)[5] und andere wieder in Erinnerung, dass der zu dieser Zeit älteste bekannte Beleg von Leonardo da Pisa stammte, und unter dem Namen „Fibonacci-Folge“ („suite de Fibonacci“, „Fibonacci sequence“, „successione di Fibonacci“) ist sie seither in den meisten westlichen Sprachen geläufig geworden.

siehe auch Tom Johnsons NARAYANA'S COWS (1989) (3)


Der körperliche Ausdruck in der Elektronischen Musik (4)

- das Interesse der Musik am Sichtbaren, an den Handlung, den Bewegungen, den Gesten ....

Der Körper hat in den vergangenen Jahren in den Kunst- und Kulturwissenschaften gesteigerte Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Dies kann auch als Reaktion auf Tendenzen der mit elektronischen Medien operierenden Künste verstanden werden: nämlich den Bezug auf den Leib zu verflüchtigen, unsichtbar zu machen, ja vermeintlich ganz hinter sich zu lassen. Dort, wo sich (bei der elektronischen, elektroakustischen, und sämtlicher anderer Musik, die mittels elektronischer Reproduktions- und Synthesemethoden seit etwa Ende der 1940er Jahre hervorgebracht wird) erzeugter Klang, Klangerzeuger und Anreger der Klangerzeugung voneinander trennen, verliert der Körper – sowohl im Interpreten als Anreger, wie auch im klingenden Ding als Erzeuger – tendenziell seine Anwesenheit. Die Apparaturen, die eine Vervielfältigung des klanglichen Spektrums und seiner Verfügbarkeit in Zeit und Raum erreicht haben, taten dies auf Kosten eines Kontaktes, der bis dahin maßgeblicher Träger eines wesentlichen musikalischen Moments war: des Ausdrucks. Die wissenschaftlichen Körperdiskurse haben zwar die technologisch vermittelte Wiedereinführung des Körperlichen (in Form von „Interfaces“) in die elektronische Musik innerhalb unterschiedlicher Kontexte beobachtet und kommentiert. Zu kurz kamen und kommen dabei aber die zentralen ästhetischen Fragen, inwieweit das Vorhandensein von Körpern – der konkreten Körper derer, die Musik komponieren, interpretieren und hören, wie der gedachten oder assoziierten Körper etwa der Instrumente und Klangerzeuger (einschließlich der obligatorischen Lautsprecher) – sich in der musikalischen Erfahrung elektronischer Musik niederschlagen, und in welcher Weise sie das Phänomen Ausdruck prägen. Diesen Fragen widmet sich das Grazer Symposion.
Pressetext IEM Graz


(1) Leonardo Fibonacci - siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Leonardo_Fibonacci dort auch der Inhalt des Liber abbaci.

(2) Weitere Phänomene der Fibonacci-Folge: http://de.wikipedia.org/wiki/Fibonacci-Folge

(3) Tom Johnson, Komponist, Paris - siehe: http://www.editions75.com/German/defaultgerman.html

(4) IEM Graz - Symposion - Pressetext siehe: http://iem.at/services/events/events_2009/symposion