Text Musik Text
Ulrike Döpfer
Dieter Trüstedt
Montag 20. April 2009 20 Uhr Eintritt frei
Carl-Orff-Auditorium, München, Luisenstr. 37a, U-Bahn Königsplatz
Sechstes Montagsgespräch im Rahmen des Projektes MUSIK UND MATERIE
in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Theater München,
dem Deutschen Musikrat, dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München
und der Echtzeithalle München. 6 weitere Montagsgespräche folgen.
Leitung: Dieter Trüstedt
Programm
I
(Samuel Beckett, Trötentöne)
Chin (linke H. Hauptsaiten fließend abdecken und selten Plektrum
Chinsaiten trocken) - 2 min
Fluss erreicht ... nicht der Rede wert.
Pause, dann
Musik beginnt (Chin wie anfangs)
Nacht die so sehr .... sinkt herab. (in die Musik hinein
Stop
(keine Musik)
Nichts, niemand .... nichts, niemand. (zweimal sehr schnell)
Text und Musik gemeinsam (Chin wie anfangs - aber mehr Plektrum)
Nachdem der letzte Schritt ..... jedenfalls bis jetzt.
(Musik klingt aus)
II
(Bachmann, Malina)
Wrap-Gesang beginnt - kurze Sequenz - und Stop mit Arduino "laut
6"
mit Hauptregler verschiedene Klanggruppen
Bücher?
Wrap-Gesang - kurze Sequenz identisch wie oben
Ja, ich lese ...
etc. Musik und Text abwechselnd
.......
Präferenzen habe ich ...
Wrap-Gesang und Text Mix - Wettstreit
..... auf diesem Gebiet.
Stop
III
(Paul Celan, Sprich auch du)
Sprich auch du, ....
... sag deinen Spruch.
Chin: oberste Quintsaite anstreichen und li Hand dämpft am Tonabnehmer
- zart mit abrupten Stops, lange Striche
sprich - ....
.....
... und Mittnacht.
Stop gemeinsam
(Keine Musik)
Gib ihm ...
...
... und Mittnacht.
Chin wieder zarte Oktavstriche - die oberen 3 Saiten wechselnd -
und die Stops mit dem li Daumen
Nun aber ...
.....
....... wandernder Worte.
Stop gemeinsam mit Ausklang.
IV
(Samuel Beckett, Trötentöne)
Phasenweite mit der Güte fern und nah spielen -
Arduino wechselt vor allem die Klänge 1 bis 10
und laut-leise u. fern-nah
Text und Musik gemeinsam
Rückkehr bei Nacht ....
.... das Gesicht
Hör sie ...
....anderen
Schritt um Schritt ...
..... Gehen
Text und Musik gemeinsam stop
(Gesamtdauer ca. 30 min)
1.
Musik und Text, Musik und Sprache "verstehen" sich schlecht. Wohl
am ehesten im Gesang.
Wo jedoch Musik und gesprochenes Wort gleichzeitig zu hören sind, muss
sich der Hörer entscheiden. Meistens entscheidet er sich für die Musik.
"Music always wins", sagte
Samuel Beckett. Wenn sich der Hörer auf den Text konzentriert, stört
ihn die Musik oder er nimmt sie nur vage wahr.
Es bleibt noch der Dialog zwischen Musik und Sprache, zwischen Klang und Wort.
Kann der Hörer die Ebenen wechseln: von der Musik, der "Determination
des Unbestimmten als reine Intensität" (Deleuze) zum Bestimmten, Meinenden,
Unterscheidenden der Sprache?
Die Gleichzeitigkeit von Musik und Sprache, ist allgegenwärtig in Film, Video, Werbung, öffentlichen Räumen. Im Montagsgespräch geht es darum, die vielfältigen Beziehungen zwischen Klang und gesprochenem Wort mit Hilfe von drei unterschiedlichen Texten der Moderne zu überprüfen.
Ulrike Döpfer
2.
In den Proben mit Yoshi Oida (Paris und Werkhaus Moosach) zum Stück Komatshi
ging es um Passagen, in denen zwischen Text, Musik und Tanz relativ schnell
gewechselt werden sollte. Den Tanz mit Musik zu unterlegen funktionierte natürlich
recht gut, nicht aber beim Text. Die Augen und die Ohren arbeiten weitgehend
unabhängig voneinander. Die Störung der Textverständlichkeit
durch die Musik war kritisch, soweit die Musik auf der gleichen Dringlichkeitsstufe
blieb wie der Text. Die Musik als latente Folie im Hintergrund - klar, sie kann
sogar der Sprache helfen, indem sie einen Raum für die Sprache erzeugt
und gleichzeitig die notwendige Stimmung aufbaut. Sprache und Musik zu parallelisieren,
kam für uns nicht in Frage, wir wollten keine Oper machen - die Sprache
sollte Sprache bleiben.
Wir entdeckten, dass es für den Zuschauer / Zuhörer anstrengend ist, wenn zu schnell zwischen Sprach- und Musik-Inseln gewechselt wird. Wir entdeckten, dass reine Musik (auch zusammen mit Tanz) die Wahrnehmung öffnet und aus dem hier und jetzt wegträgt. Der Text holt den Wahrnehmenden zurück ins Konkrete, in den Sachverhalt, in die Fakten.
Es heißt, dass eine reine Musik (vielleicht auch eine sehr poetische Sprache) die Wahrnehmungsfelder intensiver öffnet, die informierende Sprache dagegen die Felder enger fasst. Die Musik entfacht ein Feuer, dass erst abklingen muss, wenn Informationen verarbeitet werden sollen.
In dem Montagsgespräch werden verschiedene Musikarten eingesetzt: Klangbilder,
die vom Text beeinflusst sind
- zum Beispiel das unmittelbare Spiel mit einer gestrichenen Saite oder
- sich selbst steuernde Zeitstrukturen, die der Mathematik entnommen sind und
eher aus der (latenten, gefühlsmäßigen) Vorstellung ausgewählt
werden oder
- mechanisch ablaufende Klangmuster, die "live" dem verausgegangenen
Text entsprechend am Computer gesteuert werden.
Dieter Trüstedt
Dokumentation
Fotos: Peter Dietz
Jörg Schäffer / Moderation des Montagsgesprächs
Ulrike Döpfer und Dieter Trüstedt
Dieter Trüstedt / Computermusik, Pure Data und Arduino-Reger /
Wrap-Gesänge in "Malina" von Ingeborg Bachmann
Dieter Trüstedt / Chin-Instrumente / in "sprich" (Samuel Beckett)
Spiel der Oktavsaiten
Ulrike Döpfer und Dieter Trüstedt
Ulrike Döpfer
Spielblätter der Computermusik im Montagsgespräch "Text-Musik-Text"
Wrap-Gesang / Nachkomma-Stellen einer natürlichen Zahl / (eine Art Fliesskomma-Modulo / Ansteuerung der natürlichen Zahlen mit einem Cluster langsamer Sinusse / mehrere Gruppen solcher Zahlen / in dem Percussion-Teil werden die Sprünge der Nachkomma-Zahlen auf Null ausgewertet - mit Resonanzfiltern
Phasenweiten von Rechteckklängen werden gefiltert und z.T. durch ein Reverb geschickt / es entstehen "Maschinenklänge", die durchaus verschiedene Anmutungen erzeugen, Erinnerungen ... / nah und fern durch Variation der Filtergüte /
Beide Schaltungen werden mit einem "Arduino-Set" gesteuert - 6 Handregler
zum leichteren Spiel.
Siehe auch Texte in den Schaltungen.