Abstracts und Dokumentation

MUSIK UND MATERIE

3. Juli 2009 Stadthaus Ulm
Veranstalter: Experimentelle Musik und Kunst
und Medieninformatik Universität Ulm

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Thomas Koop, Markus Quante und Gerlinde Sponholz

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Prof. Dr. Michael Weber, Medieninformatik

Referate

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Dr. Jörg Schäffer, Echtzeithalle München

Musik aus dem Niemandsland zwischen Wissenschaft und Kunst
Dr. Jörg Schäffer, Echtzeithalle München
  Der Vortrag geht der Frage nach, ob und wann bei Grenzüberschreitungen zwischen Wissenschaft und Kunst tatsächlich Neuland oder Niemandsland im Sinne einer echten Interdisziplinarität beschritten wird, oder ob lediglich Inhalte bzw. Artikulationsformen der jeweils anderen Disziplin übernommen werden und mit den sanktionierten Methoden und Maßnahmen der eigenen Disziplin (Kunst oder Wissenschaft) „umgedeutet“ werden. Dieses Phänomen nenne ich „Transdisziplinarität“. Gibt es Übergänge oder Mischformen beider Disziplinaritätsphänomene? Welche Denkhaltungen werden benötigt, welche Rückwirkungen kann interdisziplinäres Arbeiten auslösen und welche Bedeutung haben die vorliegenden Fragen für den derzeitigen kulturellen Diskurs? Mein Vortrag versucht anhand von aktuellen akustischen Beispielen und Beispielen aus der Musik eine vorsichtige Kartographie des Niemandslandes zwischen Wissenschaft und Kunst.

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Dr. Wolf-Dieter Trüstedt
Experimentelle Musik und Kunst Universität Ulm und
Echtzeithalle München

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Prof. Dr. Lothar Kinzl, Sprecher des Musischen Zentrums Universität Ulm
und Jörg Schäffer

Musik und Materie- Edgar Varese
Dr. Wolf-Dieter Trüstedt, Universität Ulm
Die Vorstellung einer „dritten Dimension“ der Musik als Signum von Körperlichkeit und Räumlichkeit ist eines der Fundamente für Varèses Musikauffassung. Anscheinend wurde ihm dieser Gedanke durch Zufall ins Bewußsein gehoben. Er erzählt: "Als ich 20 Jahre alt war, stieß ich auf eine Definition der Musik, die plötzlich Licht zu werfen schien auf meine tastenden Wege zu einer Musik, die, wie ich fühlte, existieren könnte. Der Physiker, Musikologe und Philosoph der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Hoëné Wronski definierte die Musik als „la corporification de l’intelligence qui est dans le sons“. Es war für mich eine neue, aufregende und die erste völlig einleuchtende Konzeption von Musik. Hier lag für mich wahrscheinlich der erste Ansatzpunkt, mir Musik räumlich vorzustellen, mir die Klänge als bewegliche Tonkörper im Raum zu denken, eine Konzeption, die ich stufenweise weiterentwickelte und realisierte. Die Definition Wronskis brachte mich auch dazu, die Klänge als lebende Materie aufzufassen, die dazu geschaffen ist, frei mit ihr zu schalten, uneingeschränkt von scholastischen Fesseln und akademischen Intervallvorstellungen. (Varèse, Erinnerung und Gedanken). EDGAR VARÈSE, Grete Wehmeyer, Gustav Bosse Verlag, Regensburg, 1977

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Prof. Dr. Thomas Koop, Universität Bielefeld

Das Niemandsland des Wassers
Prof. Dr. Thomas Koop, Fakultät für Chemie, Universität Bielefeld
  Wasser ist in unserem Alltag praktisch allgegenwärtig und wird deshalb oft auch als das Paradebeispiel einer Flüssigkeit angesehen. Allerdings sind die physikalisch-chemischen Eigenschaften des Wassers außergewöhnlich und im Vergleich zu anderen Flüssigkeiten in vieler Hinsicht anomal. Viele dieser Eigenschaften sind nach wie vor unverstanden, insbesondere bei tiefen Temperaturen: so etwa die Umwandlung von flüssigem Wasser zu Eis, welche Wissenschaftler seit Jahrhunderten fasziniert. Heute weiß man, dass Wasser nicht notwendigerweise bei 0°C gefrieren muss, sondern deutlich unter diese Temperatur abgekühlt werden kann ohne zu gefrieren, nämlich bis etwa -40°C. Unsere heutige physikalisch-chemische Sicht ist, dass die anomalen Eigenschaften von flüssigem Wasser möglicherweise durch eine physikalische Besonderheit ausgelöst werden, nämlich einen so genannten kritischen Punkt. Dieser kann im Labor aber nicht genau untersucht werden, da er wahrscheinlich unterhalb der experimentell zugänglichen Temperatur von -40°C liegt: im Niemandsland des Wassers. In dem Vortrag soll nun gezeigt werden, wie man Aussagen über die Existenz und Lage des kritischen Punkts machen kann, auch ohne das Niemandsland experimentell zu betreten. In diesem Sinne soll beispielhaft aufgezeigt werden, wie Naturwissenschaftler/innen mit dem Problem des Unerreichbaren ganz allgemein umgehen.

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Dr. Wolf-Dieter Trüstedt und Dr. Axel Baune
Experimentelle Musik und Kunst, Universität Ulm

Wrap (Diskussion mit Musik)
Dr. Axel Baune und Dr. Wolf-Dieter Trüstedt
  Das Wrap ist ein wunderschönes mathematisches Verfahren zum Verformen von Kurven - nicht nur optisch ästhetisch schön, sondern auch für die Klanggestaltung bzw. zur Klangsteuerung. Zwischen den beiden Mitgliedern (Baune-Trüstedt) der Gruppe EMU - Experimentelle Musik und Kunst an der Universität Ulm - gab es immerwieder heftige Diskussionen über Funktion und Einsatz dieses reizvollen "Phänomens" aus der elementaren Mathematik. Nach Jörg Schäffer: das Verfahren ist so einfach, dass man es fast nicht verstehen kann. Dem gleichen Prinzip folgt auch das Modulo, das unsere abendländische Musik in sich-wiederholende gleiche Tonhöhenmuster einteilt - siehe die weiss-schwarze Tastenfolge des Klavieres.

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Thorsten Mahler, Medieninformatik, Universität Ulm

Aesthetic Computing
Thorsten Mahler, Medieninformatik Universität Ulm
  Die im Praktikum aesthetic computing der Medieninformatik der Universität Ulm entstandenen Arbeiten befassen sich mit der Verbindung der sich rasant entwickelnden Computertechnik mit künstlerischen Fragestellungen. Die umgesetzten interaktiven Objekte und Installationen werden nun präsentiert.

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Turbulenzen
Prof. Dr. Markus Quante, Environmental Chemistry / Atmospheric Physics / Institute for Coastal Research / System Analysis and Modelling, GKSS Research Center / Helmholtz Association
  Turbulenz gilt als das ungelöste Problem der klassischen Mechanik, an ihm haben sich schon einige der großen wissenschaftlichen Köpfe versucht.
Mit Turbulenz werden Begriffe wie irregulär, erratisch, ungeordnet, verwirbelt, chaotisch oder intermittent verbunden. Daher verwundert es nicht, wenn auch außerhalb der Naturwissenschaften immer häufiger der Turbulenzbegriff zur Benennung unübersichtlicher soziologischer oder auch
wirtschaftlicher Situationen respektive Zustände herangezogen wird. Wir alle haben Turbulenzen in beiden Begriffswelten kennengelernt, in der Tat sind die meisten uns betreffenden Strömungen turbulent.
Bei vielen technischen Anwendungen in der modernen Gesellschaft spielt die Kontrolle der Turbulenz eine bedeutende Rolle, und trotzdem ist eine zuverlässige Vorhersage der Entstehung und des Details von Turbulenz bis heute nicht möglich. Die weitere Erforschung der Turbulenz wird von dem praktischen Nutzen aber auch von der inhärenten intellektuellen Herausforderung angetrieben.
Der Vortrag wird das komplexe Problem Turbulenz beschreibend umreißen und anhand von Beispielen aus den technischen und geophysikalischen Strömungen vor dem Hintergrund der forschungsgeschichtlichen Annäherung illustrieren. Aus dem Bereich der
Atmosphärenwissenschaften werden Messungen turbulenter Fluktuationen in der freien Troposphäre und in Wolken vorgestellt.
Eine Volksweisheit trifft es gut: "Turbulenz ist leicht zu sehen aber schwer zu verstehen".

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Konzerte und Performances:

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Turbulenzen
Axel Baune, Klaus Schmidtke, Christine Söffing, Dieter Trüstedt
  Eine Live-Turbulenz wird in Klangbilder umgesetzt. Vier Laptop-Spieler orientieren sich in dieser Musik gleichzeitig an den Messdaten einer Windturbulenz in 10 km Höhe - Messdaten aus der Wetterforschung des Research Centers Geesthacht, Armospheric Physics. Als Klangmaterial selbst dienen Aufnahmen von Vogelstimmen (Lerchen, Mauersegler, Krähen, Nachtigallen). Die vier Sätze lauten: Ruhe - Echo aus der Zukunft - Katastrophe - Chaos.

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Sonja Hafenmayer

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Sonja Hafenmayer und Dieter Trüstedt

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Sonja Hafenmayer

Opal
Sonja Hafenmayer, München, Dieter Trüstedt, München / Ulm, Gabriele Herrmann (Kostüm), München
  Musik und Materie / Musik und Körper sind zentrale Begriffe in diesem Projekt.
Körperformen und Klangformungen in elementaren Prozessen sind das künstlerische Material. Die Musik verwendet ein einfaches mathematisches Verfahren - das Modulo und stellt diesen Computerklängen den Klang einer empfindlich verstärkten Stahlsaite gegenüber. Die Wechselwirkungen zwischen den Formen und Formungen der Handlung und dem zeitlichen Verlauf der Musik sind direkt und unmittelbar.

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Pure-Data-Schaltung, Chaos-Klavier

Chaosklavier
Dieter Trüstedt (Computer), Hans Wolf (Klavier), München
  Die bekannte "Apfelmännchen-Formel" x>k*x*(1-x) liefert Werte für Tonhöhen, die die a-Töne eines Flügels umkreisen. Hans Wolf, München, spielt den Flügel des Stadthauses Ulm mit seinen wohltemperierten Tonhöhen und Dieter Trüstedt, München / Ulm, spielt die 8 a-Töne des Flügels neu berechnet mit chaotischen aber definierten Werten.

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Andreas Usenbenz und Gregor Quade

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Gregor Quade

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Fractal Flames

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Fractal Flames / „free-quenz“
Gregor Quade, Andreas Usenbenz, Mathias Göppel, Michael Kuhnt
  Andreas Usenbenz (live elektronik) und Gregor Quade (Piano) arbeiteten schon in diversen Projekten zusammen. Bei ihrem aktuellen Duo „free_quenz“ jedoch geht es vielmehr um die Improvisation mit Klang. Quade entzaubert seinem Flügel bezaubernde Harmonien aber auch einzelne, kaum wahrnehmbare Schwingungen, die gleichwohl von Usenbenz aufgefangen, behutsam transformiert und auch (neu) - interpretiert werden. Der Zuhörer wird eingeladen, sich auf eine Reise zu begeben, die auf Wegen jenseits heutiger „Teerstraßen“ stattfindet. Nicht roh und holprig, sondern weich und voller neuer Eindrücke. Klanglandschaften bewegen sich minimalistisch durch den Raum und geben Zeit zum horchen.

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Angelika Meyer

Sinsonanten
Andhi Pabst, Isolde Werner, Angelika Meyer
Zwei Stimmen begegnen sich. Konsonanten wirbeln umher. Könnte sich um einen Wettkampf handeln. Oder ist es doch ein Tanz? Und überhaupt, wer kämpftanzt da mit wem? Die beiden Artisten miteinander, oder ihre Stimmen mit dem Bild oder die Elemente des Bildes unter sich? Und wer hat eigentlich angefangen?

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Ursula Ritter

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Tobias Hornberger

Sea of Oblivion
Tobias Hornberger, Ursula Ritter
The Sea Of Oblivion ist das geistige Niemandsland, ein Meer des Vergessens, in das sich der Strudel der Zeit ergiesst. The Sea Of Oblivion ist eine interdisziplinäre Performance von Ursula Ritter (Tanz) und Tobias Hornberger (alias False Mirror) (Musik). Grundlage des Stückes ist der gleichnamige Track auf dem kommenden Album 'Derelict World' von False Mirror. Ursula Ritter: Langsame Metamorphosen organischer Formen, ein Empfinden auf der Zellebene. Die Zelle hat bei allen Lebewesen dieselbe Struktur und Funktion.

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Ulmer Windharfe
Dieter Trüstedt, Klaus Schmidtke, Tobias Hornberger, Andhi Pabst
  Die Gruppe Experimentelle Musik und Kunst Universität Ulm ist gerade dabei die Ulmer Windharfe (Kunstpfad Nr. 40) als Live-Stream ins Internet zu setzen, damit sie weltweit und in real time hörbar ist. Wenn wir mit dem Projekt noch nicht fertig sind, präsentieren wir eine Windharfen-Aufnahme akustisch und optisch - als Wellenspiel auf einer Wasseroberfläche (Kymatik). Wenn dagegen die Einspielung klappt, werden die Windharfenklänge von Andhi Pabst mit einem Kreis multipliziert und projiziert.

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Zuschauer und im Hintergrund Projekt der Medieninformatik


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Aesthetic Computing

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Thorsten Mahler, Gregor Quade und Tobias Hornberger

Aesthetic Computing

AG Thorsten Mahler, Holger Dammertz, Johannes Hanika
Prof. Dr. Michael Weber, Medieninformatik Universität Ulm
- typotisch / Nora von Egloffstein, David Langer
- infinite acid noise projection / Hendrik Burmann, Jennifer Jühnemann
- soundscape / Katerina Tzikas
- grid / Tobias Hornberger
- sehen und gesehen werden / Philipp Güttler

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Medieninformatik / Ausstellung

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Roland Jetter und Andreas Usenbenz