Rückmeldung

Sonja Hafenmayer, Handlung
Dieter Trüstedt, Computer-Chin

Montag 2. Februar 2009 20 Uhr
Eintritt frei
Carl-Orff-Auditorium, München, Luisenstr. 37a, U-Bahn Königsplatz

Erstes Montagsgespräch im Rahmen des Projektes MUSIK UND MATERIE
in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Theater München, dem Deutschen Musikrat, dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München und der Echtzeithalle München.
9 weitere Montagsgespräche folgen.

Ausgangspunkt zum Thema Rückmeldung ist die Resonanz einer Aufführung im Publikum, aber auch die eigene Resonanz beim Betrachten und Anhören des Video- und Tonmitschnitts. Wir haben aus dem Projekt Handlung.2 (Herbstmusik 2008, Schwere Reiter, München) Szenen herausgegriffen, die wir uns auch in einer anderen Form vorstellen können, die uns als schwierig oder geglückt aufgefallen sind oder in denen noch etwas fehlt. Diese Szenen greifen wir auf und spielen sie in verschiedenen Varianten und diskutieren sie in diesem Montagsgespräch.

Die Vorstellung einer „dritten Dimension“ der Musik als Signum von Körperlichkeit und Räumlichkeit ist eines der Fundamente für Varèses Musikauffassung. Anscheinend wurde ihm dieser Gedanke durch Zufall ins Bewußsein gehoben. Er erzählt: "Als ich 20 Jahre alt war, stieß ich auf eine Definition der Musik, die plötzlich Licht zu werfen schien auf meine tastenden Wege zu einer Musik, die, wie ich fühlte, existieren könnte. Der Physiker, Musikologe und Philosoph der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Hoëné Wronski definierte die Musik als „la corporification de l’intelligence qui est dans le sons“. Es war für mich eine neue, aufregende und die erste völlig einleuchtende Konzeption von Musik. Hier lag für mich wahrscheinlich der erste Ansatzpunkt, mir Musik räumlich vorzustellen, mir die Klänge als bewegliche Tonkörper im Raum zu denken, eine Konzeption, die ich stufenweise weiterentwickelte und realisierte. Die Definition Wronskis brachte mich auch dazu, die Klänge als lebende Materie aufzufassen, die dazu geschaffen ist, frei mit ihr zu schalten, uneingeschränkt von scholastischen Fesseln und akademischen Intervallvorstellungen.“ (Varèse, Erinnerung und Gedanken).
EDGAR VARÈSE, Grete Wehmeyer, Gustav Bosse Verlag, Regensburg, 1977, Seite 30.

Sicht der Handlung: Die Bewegung wird vom Thema der Handlung vorneweg bestimmt, sie hat nichts mit den Klängen außenherum zu tun. Im folgenden Spiel reagiert die Bewegung als Handlung nur im Kleinen auf die Musik - vielleicht als Stimmung. Die Bewegung als Handlung beginnt in einer vorher vereinbarten Art, die Töne der Musik reagieren auf die Stimmung. Die gespielte Musik ist Teil und Ergebnis der sichtbaren Handlung.
Klänge sind für die Bewegung Lautmuster, sie bekommen Aufgaben der Sprache - sie rufen an und aus. Die Klänge stehen und schwingen im Raum.
Vielleicht begegnen sich die beweglichen Tonkörper und der sich bewegende Handlungskörper im Raum. Der Handlungskörper berührt die Klänge im Raum und die Klänge berühren die Bewegung im Raum.
Sicht der Musik: Sie beginnt in einer bestimmten, vereinbarten Stimmung, die Bewegung der Handlung wird beeinflußt von dieser Stimmung. Die Wechselwirkung zwischen der Form der Handlung und dem zeitlichen Verlauf der entstehenden Musik ist direkt und unmittelbar. Die sichtbare Handlung ist zum Teil Ergebnis der gespielten Musik - gleichzeitig wird die Handlung zur Mitformerin der Musik. Es ist ein Dialog zwischen zwei Elementen, die zum selben Kunstwerk gehören.
Varèses Ansatz ist für diese Arbeit wesentlich. Die Musik wird in der Form von beweglichen Klangkörpern in den Raum geworfen. Die Differenz der beiden Sichtweisen resultiert aus diesem Ansatz - es ist ein Dialog zwischen zwei - sehr verschiedenen - unmittelbar formbaren Körpern.
Die Musik wird auf elektronisch verstärkten Saiten - die mit einem Computerprogramm vernetzt sind - gespielt.

www.luise37.de
www.echtzeithalle.de


Dokumentation
256. Montagsgespräch
Rückmeldung

MUSIK UND MATERIE
2. Februar 2009
Carl Orff Auditorium München

Moderation: Jörg Schäffer
Zuhörerzahl 36
Fotos: Bernhard Thurz

Sonja Hafenmayer - Bewegung
Dieter Trüstedt - Computer-Chin

Stillleben - Sonja und ihr Herz

Probe: Dieter Trüstedt / Sonja Hafenmayer im Carl Orff Auditorium

Sonja - Zettel / Dieter - Hauptsaite 1, lange Striche

sonja - Mimik / Dieter - Hauptsaite 4 & 5, ruhige Striche

Sonja schreibt

Sonja schreibt

Sonja Mimik am Tisch / Dieter Oktavsaiten 4 & 5, ruhige Striche

Sonja Beine / Dieter mittlere Hauptsaite, zappelig und wischend

Sonja - Arme und im bunten Kleid / Dieter - Hauptsaite 5,
lange Striche und abrupte Streichschlüsse

Dieter mit Chin, Arduino mit 5 Reglern und Computer
Spiel der mittleren Saite und Dämpfen am linken Steg


Partitur-Skizze
Handlungsanweisung
Experiment-Anordnung

HANDLUNG

I.  MIMIK + MUSIK 2 x 3 min
a) Hinten & Stop
b) Vorne & Stop

II. SCHREIBEN 2 x 3 min
a) Improvisation & Stop (mit dem Rücken zur Musik)
b) Festgelegt & Stop (mit dem Gesicht zur Musik)

III. ZETTEL 2 x 3 min
a) nervös & Stop
b) ruhig 6 Stop

Kleine Pause ohne Gespräch
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I. MUSIK live & MITSCHNITT   ca. gut 7 min
keine Bewegung (Sonja im Publikum)
die Musik weiss von ABK, setzt die Dauern willkürlich
Stop

II. ABK (Arme - Beine - Kante)
Mitschnitt wird eingespielt
Bewegung nach der unveränderbaren Musik
Stop

III ABK (mit buntem Kleid) ca gut 7 min
Bewegung und Musik live und aufeinander achtend


Gesamtdauer der künstlerischen Aktionen 60 min

Videomitschnitt als Gesamtansicht
Foto-Dokumentation (Bernhard Thurz)
Mitschnitt der einzelnen Musikteile (per Pure Data)


Oben links: Mikrofon-Eingang / Pegel-Kontrolle / Messgerät für die Saitenstimmung /
Stimmung der Chin-Saiten: 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - das ist in Midi: 43 - 46.84 - 50 - 52.66 - 55
Das Chin hat Hauptsaiten mit dem Tonabnehmer und Saitenlängen hinter dem Steg rechts: Oktave (halte Hauptsaite) und Steg links: Quinte (1/3 Hauptsaite).
Darunter Arduino-Programme für das Arduino-USB-Netzwerk: 5 Regler mit analogen Ausgangswerten 0 bis 1, Genauigkeit: 1/1024.
Darunter Stereo-Einstellung, Recorder, Aussteuerungsanzeige, Stopuhr
Darunter Recordertime: Gelber Zeitmarkenzeiger für 7 Minuten Gesamtspieldauer für das Spiel als Zeithilfe.
Darunter der Ausgang zum Audio-Firewire-Interface für die beiden Saal-Lautsprecher.

Oben Mitte: Zeile der 3 Teiltonfelder mit den Frequenz- bzw. Dauer-Verhältnissen 4/4 bis 8/8 mit 25 möglichen Verhältnissen. Sie können per Preset (Block "skizzen") aufgerufen werden oder einzeln eingeschaltet und ausgeschaltet werden. Rechts unten ist eine statistische Aufrufmaschine mit ein Feld bis zu 12 Felder.
Die Teiltonfelder sind für Loops von 4-Sekunden-Klängen. 4/4 z.B. ist der Originalklang (Originaltonhöhe und Originalzeit). 8/4 ist ein Oktav höher mit der halben Zeitdauer etc.
Eingebaut ist ein Decay von 10 bis 5.000 msec für den Nachklang einer Einstellung zur nächsten.
Veränderung der Frequenz-Lage fließend oder in Akkord-Schritten.
Die Lautstärken der Teiltonfelder sind vom Arduino aus regelbar.

Mitte: 3 Recorder für neue Klänge der Dauer 4 sec. mit automatischer Normalisierung der Lautstärke. Die Recorder können von Laptoptastatur (Tasten 1, 2, 3) gestartet werden. Die Stops sind automatisch - ebenso fade-in und fade-out.

Die Klangspuren werde zur Kontrolle direkt als Oszillogramme angezeigt. Gleichzeitig ist der Klang sample-genau ohne Verzögerung aufrufbar.

Dann kommen die Unterprogramme für die Presets und das statistische Setzen in den Teiltonfeldern.
Es gibt noch ein Einspielgerät eines längeren aufgenommenen Takes für das Montagsgespräch.

Ganz rechts ist so eine Art Partitur mit Spielanweisungen und gleichzeitig zum Setzen und Starten der nächsten Spielsequenz.




Jörg Schäffer

Kleiner Bericht

(Dieter Trüstedt)

Jörg Schäffer führte in die neue Sequenz der Montagsgespräche ein - und so auch in das Montagsgespräch "Rückmeldung" - als Rückmeldung der Montagsgespräche (nach der 20 monatigen Renovierung des gesamten Gebäudes).

Anschließend die Experimente entsprechend der Versuchsanordnung. Gesamtdauer eine Stunde. Wir hatten zwei Scheinwerfer für die Bühne und einen für die Musik.

Nach den Präsentationen, den Experimenten und dem Beifall war das Publikum zunächst still, abwartend. Saallicht wieder hell, Bühnenlicht aus. Sonja Hafenmayer und Dieter Trüstedt sitzen vor dem Publikum.

Gabriele Herrmann: Die Zuordnung Musik und Handlung schien weitgehend freibleibend - nicht aber bei der Mimik-Szene und dem letzten Spiel ABK Musik und Bewegung. Die Zuordnung der Musik zur Mimik wirkte perfekt, übereinstimmend.

Peter Dietz: Schade, dass jetzt überhaupt gesprochen wird. Am besten man läßt die Performance so wie sie war, läßt sie auf sich wirken, nimmt sie mit nach Hause. Das Reden zerstört den Eindruck, den künstlerischen Genuss.

Dieter Trüstedt: Diese Sequenz der Montagsgespräche zum Thema "Musik und Materie" ist aber so gemeint: wir sprechen über das Gehörte und Gesehene, auch wenn Wirkung verloren geht.

Es wurde nach dem Wechsel von der Hose zum Kleid gefragt.
Sonja Hafenmayer: Sie wollte die Bewegungsunterschiede - durch die Kleidung verursacht - ausprobieren - und das Publikum danach fragen.

Dagmar Dehio: Im Kleid mit Strumpfhose sind die Beinbewegungen detaillierter erkennbar. Bei denselben Bewegung mit Hose sind sie wie zwei Personen im Zwiegespräch.

Gabriele Herrmann: Das Kostüm kann auch amorph sein, wie ein eigener Gegenstand - auch um die Gedanken von Varèse aufzugreifen: Musik-Körper / Bewegungs-Körper / Raum.

Dieter Trüstedt: Wir greifen den Vorschlag auf und führen diese Version im Kulturfest "Ackermannbogen" am 26. Juni 2009 auf.

Kristofer Arbeus: Zustimmung zur Musik im Kontext zur Bewegung inclusive des Freibleibenden und des gut Zugeordneten (in der MIMIK Szene und beim abschießenden Zusammenspiel in ABK.

Dauer des Gesprächteiles: 60 min
Publikumszahl bis zum Schluss ca. 40